Ljupcho Popovski, Journalist: Unvergessene Nacht der deutschen Wiedervereinigung
Ich persönlich habe wahrscheinlich sehr viel mehr Beeindruckendes in der Zeit vor dem Fall der Berliner Mauer 1989 erlebt, als in den 30 Jahren der Beziehungen zwischen dem vereinten Deutschland und dem unabhängigen Mazedonien. Vielleicht deshalb, weil es Eindrücke aus einer wirklich unbeschreiblichen Zeit waren. Was mir am tiefsten in der Erinnerung geblieben ist, waren meine mehrmaligen Besuche in beiden Teilen der Stadt Berlin.
Nicht nur wegen der düsteren Mauer oder der Art und Weise wie man über den Grenzübergang an der U-Bahnstation Friedrichstraße von Ost nach West gelangte, sondern auch wegen der völlig unterschiedlichen Welten, in denen die Berliner lebten. Ich war einige Monate vor dem Mauerfall im November in Berlin und damals deutete nichts darauf hin, dass eine so epochale Wende eintreten könnte. Obwohl ostdeutsche Bürger auf der Suche nach einem Korridor nach Westdeutschland bereits nach Prag strömten, schien in Berlin alles friedlich zu sein. Offensichtlich war das mein falscher Eindruck.
Im kommenden Jahr, im Oktober 1990, berichtete ich für Nova Makedonija über die Wiedervereinigung Deutschlands und konnte in einer nicht alltäglichen Situation – verglichen mit den heutigen Sicherheitsmaßnahmen – frei auf den obersten Stufen am Reichstag stehen und vor mir ein Millionenheer in dieser unvergessenen Nacht sehen.
Eine der besonderen Erinnerungen in diesen 30 Jahren ist der Besuch des Museums, das der Arbeit der Geheimpolizei Stasi gewidmet ist, in dem die Befragungen ungehorsamer Bürger durchgeführt wurden, die Büros der Ermittler zu sehen sind, die Betten in den Zellen aus Holz, ohne Matratzen. Sowie unglaublich kleine Zellen (eine Art Einzelzelle), in denen sich die Menschen nur aufhalten konnten, wenn sie aufrecht standen, bis sie „brachen“ und ihre „Sünden“ gegen den Staat und die Partei bekannten. Soweit ich mich erinnere, war diese Behandlung in den ersten 7, 8 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg Praxis.
Lothar de Maizière war der letzte Ministerpräsident der DDR, in dessen Zeit sich der ostdeutsche Staat mit dem westlichen vereinigte oder mit ihm verschmolz. Ich hatte 2009 ein Gespräch mit ihm, in seinem Anwaltsbüro irgendwo in einer etwas vernachlässigten Fortsetzung der Friedrichstraße, im Osten Berlins. Er vertrat die Forderungen von Ostdeutschen in Rückerstattungsprozessen, die in den 2000ern stattfanden. Auf meine Frage, warum sich sein Büro in einem nicht gerade sehr ansehnlichen Viertel befinde, antwortete er: „Mit welchem moralischen Recht könnte ich meine Mitbürger, mit denen ich in der jüngeren Vergangenheit gemeinsam in einem Staat gelebt habe, der ihre Leben jahrzehntelang durch die Geheimpolizei kontrollierte, vertreten; hätte ich ein Büro im leuchtenden Westen Berlins.“ Dies käme einem Verrat gleich.
Wie jedoch auch wir in Jugoslawien und später auch in Mazedonien ein Leben mit Freuden, Kummer, Traditionen, Festen lebten, so lebten die Menschen auch in der DDR ihr Leben, ungeachtet der millionenfachen Augen der Geheimpolizei. Deshalb ist der Besuch des DDR-Museums in Berlin eine außerordentliche Gelegenheit für Jeden, über die ausgestellten Wohnzimmer, Küchen, Autos, die Partei- und Staatsikonografie einen Blick in den kommunistischen Alltag zu werfen. Quälend oder heiter – so war es, das Leben.